GRNplus Mai / 2023

In der erwartungsvollen Haltung, dass eine Reform Positives mit sich bringt und Werte wie „Patientenorientierung“ und „wohnortnahe Versorgung“ wieder in den Mittelpunkt stellt, haben die Ideen der Regierungskommission für Entsetzen gesorgt. Die Einteilung der Krankenhäuser in unterschiedliche Level bei gleichzeitiger Zuordnung der Leistungen, die je Level erbracht werden dürfen, führt zu einer radikalen Veränderung der Krankenhauslandschaft, die durch Zentralisierung der Versorgung in großen Kliniken eine beängstigend hohe Zahl der heutigen Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung entbehrlich machen soll. Konkret: Einer von der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft beauftragten Studie zufolge, die kürzlich veröffentlicht wurde, würden von 186 untersuchten Krankenhäusern 51 geschlossen werden. Das würde auch die GRN-Kliniken Weinheim und Schwetzingen treffen, die keine Daseinsberechtigung mehr hätten, weil innerhalb 30 Minuten Fahrzeit große Maximalversorger in Heidelberg und Mannheim erreichbar wären. Die GRN-Kliniken in Eberbach und Sinsheim dürften nur noch minimale Gesundheitsversorgung anbieten mit reiner internistischer und chirurgischer Basisversorgung – ohne Geburtshilfe, ohne Kardiologie, ohne Gastroenterologie, ohne Viszeralchirurgie. Was bedeutet das für Patienten? Katharina Elbs: Die GRN-Kliniken behandeln jährlich 40.000 Patienten stationär und ähnlich viele ambulant und spielen somit für die medizinische Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum eine große Rolle. Die medizinischen Leistungen, die die GRN-Kliniken anbieten, gehen schon jetzt über die reine Grund- und Regelversorgung hinaus. Das belegen zahlreiche Zertifizierungen durch externe Institute, die uns höchste medizinische Qualität für unsere Leistungen bestätigen. Zum Beispiel die Zertifizierung unserer Geburtshilfen als „babyfreundlich“, die Zertifizierung als Diabetes freundliche Klinik, das Kompetenzzentrum für Minimalinvasive Chirurgie, das Darmkrebszentrum oder die Endoprothetikzentren. Diese Leistungen dürften wir künftig nicht mehr anbieten und müssten unsere heutigen Patienten in große Zentren wie die beiden Uniklinika in Heidelberg oder Mannheim verweisen. Ärzte aus unseren Einrichtungen sind bei diesen Szenarien fassungslos. Wie soll eine Notfallversorgung gelingen, ohne entsprechende Leistungen wie eine Kardiologie oder Intensivmedizin in den Einrichtungen vorzuhalten. Das ist absurd. Und auch die Vorstellung, Geburten wären nur noch an wenigen Häusern möglich, ist bei näherer Betrachtung völlig unrealistisch. In den GRN-Kliniken in Weinheim und Schwetzingen kommen zusammen im Jahr rund 1600 Babys zur Welt. Werdende Eltern müssten künftig sehr viel weitere Wege in Kauf nehmen und dann ist die Frage, ob die übrigbleibenden Kliniken die höheren Auslastungen überhaupt bewältigen könnten. Und auch unsere Pflegekräfte sind angesichts der Reformgedanken sprachlos: In unseren Kliniken pflegen wir viele ältere Patienten jenseits der 80, die bewusst ein kleines, regionales Krankenhaus in der Nähe ihres Wohnortes suchen. Nur so können auch Angehörige sie regelmäßig besuchen, was für die Genesung extrem wichtig ist. Und jetzt stelle man sich einen 80-Jährigen vor, der mit Rollator versucht, eigenständig über das Neuenheimer Feld zu rollen – vom Parkhaus bis in die Kopfklinik. Das wird kaum möglich sein. Verlierer der Reform sind aus unserer Sicht insbesondere ältere, multimorbide Patienten in ländlichen Regionen, die auf eine wohnortnahe Versorgung und familiäre Strukturen mit festen „Ärzte aus unseren Einrichtungen sind bei diesen Szenarien fassungslos.“ (Katharina Elbs) Judith Masuch Foto: GRN 22

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